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2016 droht in Deutschland das Ende der Hebammen – und dann?

Jul 24 2015

Auf sie kann man nicht verzichten. Sie leisten sowohl in der Klinik als auch im Geburtshaus großes und unterstützen werdende Eltern bei dem wohl größten Ereignis ihres Lebens. Doch wenn sich Versicherungen und Hebammen nicht einigen wird es 2016 keine Geburtshilfe mehr geben.

Hebammen ohne Haftpflichtversicherung

© capifrutta – Fotolia.com
© capifrutta – Fotolia.com

Jedem ist klar – Hebammen sind unverzichtbar. Seit Jahren sind sich Krankenkassen, Haftpflichtversicherungen und Politiker darüber einer Meinung. Und vor allem die Eltern und auch die Hebamme selbst. Dennoch kündigt sich für Juli 2016 für den Berufsstand das Ende an. Zu dieser Zeit wird die Gruppenhaftpflichtversicherung des Deutschen Hebammenverbandes eingestellt. Den freiberuflich tätigen Hebammen wird ab dann keine Versicherung mehr gewährt. Dies gleicht einem Berufsverbot, da 60 Prozent der Hebammen in Deutschland freiberuflich arbeiten, oft zusätzlich zu einer Festanstellung.

Mangel schon jetzt spürbar

Schon aktuell ist der Mangel der Hebammen zu spüren – viele treten aus der Geburtshilfe aus. Grund dafür ist, dass die Haftpflichtprämien weiter steigen. Durch die letzte Erhöhung zum ersten Juli diesen Jahres waren laut Hebammenverband weitere 145 freiberufliche Hebammen gezwungen ihre Tätigkeit aufzugeben. Dass die Haftpflichtversicherung in den letzten Jahren derart gestiegen ist, ist jedoch kein Zeichen dafür, dass sie schlecht arbeiten, sondern dafür welche Verantwortung sie tragen. Insgesamt gibt es noch etwa 21.000 Hebammen im Deutschen Hebammenverband (DHV), doch nur noch die wenigsten von ihnen unterstützen Frauen bei der Geburt. Die Mehrheit leitet Geburtsvorbereitungskurse oder begleitet die Mütter im Wochenbett. Leider gibt es auch für diese Tätigkeiten im Sommer nächsten Jahres keine Versicherung mehr. Weiterhin haben schon jetzt viele Frauen Schwierigkeiten eine Hebamme zu finden, da sie Monate im Voraus ausgebucht und überlastet sind. Auch in Krankenhäusern ist der Ernst der Lage zu spüren – hier werden Hebammen entlassen, um Kosten zu sparen. Diese werden dann entweder freiberuflich weiter beschäftigt, oder es werden Kreissäle geschlossen. Aus diesem Grund werden oft mehrere Geburten gleichzeitig von Hebammen betreut, was des Öfteren zu Komplikationen während der Geburt führt. Im nächsten Jahr wird sich die Situation verschärfen. Die Hebammenverbände erwarten überfüllte Wartezimmer und besorgte Eltern. Zuvor war die Geburt eines Kindes etwas Normales. Ärzte werden erst hinzugerufen, wenn es Komplikationen gibt. Doch durch die aktuelle Entwicklung wird schwanger sein fast schon zur Krankheit.

Ist eine Lösung in Sicht?

Man kann keineswegs behaupten, dass jemand mutwillig das Ende eines gesamten Berufsstandes anstrebt, jedoch wird auch nicht gezielt etwas gegen die bedrohliche Situation unternommen. In den kommenden 12 Monaten muss aber eine Lösung geben, sonst gibt es zukünftig in Deutschland keine Hebammen mehr. Die Maßnahme des Gesundheitsministers, den Hebammen Zuschüsse zu zahlen, wird jedoch nicht ausreichen. Denn es ist durchaus möglich, dass sich die Beiträge der Haftpflichtversicherung nicht stabilisieren und sich kontinuierlich erhöhen.
In jedem Fall muss eine Berufshaftpflicht für Ärzte gewährleistet sein, da die Verantwortung in diesem Beruf enorm ist.

Ein weiterer Lösungsansatz, der sich bereits in den Niederlanden und Österreich durchgesetzt hat und von den Grünen und der Linkspartei gefordert wird, sind Haftpflichtfonds. In Österreich ist von den Hebammen eine Haftpflichtpauschale von 100 Euro im Jahr zu zahlen und der Rest wird vom Staat zugesteuert. Wenn das durchgesetzt wird, würde die Geburtshilfe als eine gesamtgesellschaftliche Angelegenheit gewürdigt werden und von der Wirtschaftlichkeit losgelöst sein.